Durch das sehr umfangreiche Programm der Vorträge führten Dr. med. vet. Jens Hübel, Tierärztliche Beratung und Forschung mit den Schwerpunkten Vögel (inklusive Nutzgeflügel) Tierschutz und Tierversuche (Frankfurt/Oder)
und
Felix Aiwinger, juristischer Referent der Landestierschutzbeauftragten und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der LMU München
Manches von dem, was im Webinar zur Sprache gekommen ist, war auch für mich neu. Aber ich will versuchen, den Inhalt so zusammenzufassen, dass alles Wichtige enthalten ist.
Für eine Anzeige wegen eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz ist eine ausführliche und umfangreiche Dokumentation unerlässlich.
Berücksichtigen müssen wir die 7-W-Fragen:
- Wer?
- Was?
- Wo?
- Wann?
- Wie?
- Warum?
- Woher?
Wer
- Name, Anschrift, Personenbeschreibung
Was
- Tierbeschreibung, Rasse, Geschlecht, Farbe und Besonderheiten
- Identität, falls bekannt, Chip, Halsband, Tätowierung, Brandzeichen
- Zustand des Tieres, Veränderungen, Verletzungen
- Beschreibung, Schmerzen, Leiden, Schäden
Haltungsumgebung
- Unterbringung
- Klima Temperatur Licht
- Boden Untergrund
- Beschäftigungsmöglichkeiten Spielzeug
- Zustand des Tieres beschreiben
- Versorgung des Tieres
- Zugang zu Futter und Wasser
- Pflege
- tierärztliche Betreuung (Wer?)
- Gefährdungssituation für das Tier
Wichtig: sachlich bleiben und keine eigene Wertung einfließen lassen, Personen und Orte, sowie Zeitpunkte voneinander abgrenzen. ⬇️
Die Frage nach dem Wo beinhaltet die Beschreibung des Tatorts, den Aufenthalt der Tiere, die Anschrift oder gegebenenfalls die Koordinaten (Google-Map). Geht es um mehrere Orte, sind die genau voneinander abzugrenzen.
Eigene Überlegungen und Schlussfolgerungen als solche kenntlich machen.
Die Frage nach dem Woher, meint die anzeigende Person. Und jetzt stellt sich dann oft die Frage, ob man lieber anonym bleiben möchte, oder seinen realen Namen und Kontaktdaten angibt.
Anonymen Anzeigen gehen Veterinärbehörden unter Umständen nicht nach, weil keine Rückfragen möglich sind. Besonders verlässlich sind sie auch nicht.
Gibt man seinen Namen an, läuft man vielleicht Gefahr, sich Racheaktionen ausgeliefert zu sehen. Das Veterinäramt beruft sich bei der Frage nach der anzeigenden Person immer auf den Datenschutz. Sie dürfen den Namen der Person nicht nennen. Aber spätestens dann, wenn ein Anwalt Akteneinsicht fordert, erfährt auch der/die Beschuldigte den Namen der anzeigenden Person.
Gemäß § 147 StPO heißt es: „(1) Der Verteidiger ist befugt, die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären, einzusehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen.“
Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG)
§ 49 Akteneinsicht des Betroffenen und der Verwaltungsbehörde
(1) Die Verwaltungsbehörde gewährt dem Betroffenen auf Antrag Einsicht in die Akten, soweit der Untersuchungszweck, auch in einem anderen Straf- oder Bußgeldverfahren, nicht gefährdet werden kann und nicht überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter entgegenstehen. Werden die Akten nicht elektronisch geführt, können an Stelle der Einsichtnahme in die Akten Kopien aus den Akten übermittelt werden.
Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)
§ 29 Akteneinsicht durch Beteiligte
(1) Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist.
Art. 15 DSGVO Auskunftsrecht der betroffenen Person
- Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf folgende Informationen:
- die Verarbeitungszwecke;
- (…)wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben werden, alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten; “ Zitat Ende
Soviel zu den Rechten der angezeigten Person.
Wenn ich aber Angst vor Racheaktionen habe, weil die Beschuldigten dafür bekannt sind, unangenehm zu werden, welche Möglichkeiten habe ich dann?
Es gibt die Möglichkeit der vertraulichen Anzeige.
Anzeige immer in Schriftform! E-Mail, Anhang, Brief,
Beim Schreiben auf den Stil achten, beschreiben und nicht wertend und keine Vermutungen anstellen. Eigene Schlussfolgerungen müssen als solche gekennzeichnet sein und sind vom beschreibenden Teil abzugrenzen.
Bei der Anzeige den Anhang auflisten. Bilder aussagekräftig benennen und ein Bildverzeichnis mitliefern. Die Bilder sollten möglichst eine gute Qualität haben. Bilder, die in WhatsApp hin und hergeschickt werden, werden durch die Software stark kompromittiert und verlieren an Qualität. Größere Dateien, wie z.B. Videos sollte man mittels einer Onlinedatenbank bereitstellen, von der die Behörde die entsprechenden Dateien herunterladen kann.
Im Vortrag genannt wurde WeTransfer.com. Vorteil ist die zeitliche Begrenzung, in der die Dateien gespeichert sind. Sie sind allerdings nicht verschlüsselt und der Server steht in den USA und arbeitet daher nicht datenschutzkonform. Google Drive oder eine Mail Cloud bietet sich an, da hat man dann auch die Kontrolle über die Daten, die man selbst wieder entfernen kann.
Kommen wir zu der Frage zurück, wie man eine Anzeige vertraulich stellt.
Hilfreich ist folgendes: gebt bei eurer Anzeige Folgendes an:
Wenn Sie Fragen haben, können Sie sich gern bei mir melden. Für Rückfragen stehe ich selbstverständlich zur Verfügung. Bitte geben Sie mir Rückmeldung über die Qualität meiner Anzeige, vor allem dann, wenn sich bei den Ermittlungen herausstellt, dass bestimmte Angaben fehlen, oder hilfreich gewesen wären.
Bitte beachten Sie, dass meine Daten nicht an Dritte inklusive dem/der Beschuldigten herausgegeben werden dürfen. Sollte von Seiten eines Anwalts diesbezüglich Interesse angemeldet werden, mache ich von meinem Recht gebrauch, dass dies zu Schutzzwecken abgelehnt wird. (Begründung anfügen)
Das gilt auch für alle von mir benannten Zeugen.
Eine Weiterleitung an die Staatsanwaltschaft und ein Gericht ist selbstverständlich möglich, aber da bitte ich um Rücksprache.
Bitte bestätigen Sie den Eingang der Anzeige. Bitte benachrichtigen Sie mich, wann und in welcher Form Sie der Anzeige nachgegangen sind.
Quelle: Folie von Dr. Jens Hübel
Was außerdem möglich ist, ist eine Zusage über die Vertraulichkeit von der Behörde einzuholen, bevor man einen Sachverhalt zur Anzeige bringt.
Für manche Delikte ist es ratsam die Presse zu informieren, vor allem wenn es um handfeste Skandale geht, die vor allem die großen NGOs aufdecken, wie SOKO Tierschutz, das Deutsche Tierschutzbüro oder Peta. Was auf gar keinen Fall geht, ist, Derartiges in den sozialen Medien zu verbreiten. Man muss den Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte beachten, man riskiert Gegenanzeigen und man muss bedenken, dass der Erwerb von Beweisen nur dann erlaubt ist, wenn sie an eine Behörde weiter geleitet werden und nicht für die Veröffentlichung in den sozialen Medien gedacht sind. Es gibt einfach einen Unterschied zwischen Rechten zum Erwerb von Beweisen einer Straftat und öffentlicher Bekanntmachung.
Wichtig ist noch die Unterscheidung zwischen Straftat und Ordnungswidrigkeit. Die meisten Anzeigen wegen Verstoß gegen das Tierschutzrecht sind Ordnungswidrigkeiten, die bei der Veterinärbehörde behandelt werden. Für Straftaten ist die Staatsanwaltschaft zuständig.
Dann gibt es natürlich Anzeigen, bei denen man gar nicht als Zeuge gebraucht wird. Das gilt zum Beispiel für Veröffentlichungen, die ein Beschuldigter selbst erstellt hat, wie Fotos für Verkaufsanzeigen und Äußerungen, die der Beschuldigte selbst getätigt hat, die in Wort und Bild festgehalten werden können. Wenn sich ein Sachverhalt durch die Ermittlungen ergibt, braucht man keine Zeugen. Dann steht der eigene Name nur noch in Zusammenhang mit der Anzeige und der ist dann vernachlässigbar.
Insgesamt hat sich Ernüchterung bei den Teilnehmern breit gemacht. Weil zum einen, der Anzeigende nicht geschützt wird und es zum anderen tatsächlich eine Ermessensfrage ist, ob ein Veterinäramt in einem Fall tätig wird, oder nicht. Es stellt sich auch hier, wie bei Straftaten, die Frage nach dem öffentlichen Interesse. Das ist besonders darum ernüchternd, weil der Tierschutz im Grundgesetz verankert ist und keine Ermessensfrage sein sollte.
Bei der Beschaffung von Beweismitteln gibt es auch einiges zu beachten. Es gilt immer das Hausrecht und die Unverletzlichkeit der Wohnung, weiterhin die Persönlichkeitsrechte, die beachtet werden müssen. So dürfen beispielsweise keine Personen aufgenommen werden, auch keine Kfz. Kennzeichen. Es darf auch ein Grundstück nicht widerrechtlich betreten werden. Ich darf aber von außerhalb Fotos machen oder filmen, ich darf auch Gegenstände fotografieren, wenn mit ihnen ein Tier beispielsweise verletzt worden sind.
Es gibt natürlich Ausnahmen. Der rechtfertigende Notstand. Auf den berufen sich Tierschutzaktivisten, wenn sie in Ställe eindringen, um einen Missstand festzuhalten und Beweise zu nehmen.
Strafgesetzbuch (StGB)
§ 34 Rechtfertigender Notstand
»Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.«
Die Vorträge wurden aufgezeichnet und sollen zum Ende der kommenden Woche auf dem YouTube-Kanal der Landestierschutzbeauftragten Berlin veröffentlicht werden. Sobald das Video online verfügbar ist, werde ich den Link nachreichen.
Eine Dienstaufsichtsbeschwerde ist in den allermeisten Fällen wirkungslos, da sie sich nur gegen das Verhalten eines Amtsveterinärs richtet, nicht gegen dessen Untätigkeit.