Zugegeben, es regt mich schon lange auf. Immer wieder liest man das. Ohne Stammbaum keine Rasse. Stimmt das aber so?
Es wird in Diskussionen in Foren und Gruppen immer wieder auf eine Weise diskutiert, die mir die Nackenhaare sträuben lässt.
Oft hat man auch den Eindruck, dass das Defizit, die Menschen darüber aufzuklären, dass man Vermehrer von Katzen nicht unterstützen sollte, am Stammbaum festgemacht wird.
Dabei ist das ganze Thema viel komplexer.
Zunächst mal, die EHK, europäische Hauskatze gibt es nicht. Es gibt nur Hauskatzen. Und das trifft auf alle unsere Katzen zu. Sei es Perser, Norweger, Sibirer, Maine Coon oder Sphynx. Es sind alles Hauskatzen.
Unsere Hauskatzen stammen alle von der Falbkatze ab (Felis Silvestris lybica) der Afrikanischen Wildkatze. Sie hat einen erstaunlichen Siegeszug hinter sich. Es ist dokumentiert, dass die Katze sich bereits vor 9000 Jahren dem Menschen angeschlossen hat.
„Von der Falbkatze stammt die Hauskatze ab. Belegt ist eine Domestizierung ab 7500 v. Chr. auf Zypern. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass die Katze den Menschen schon seit Beginn der Zivilisation begleitet, da sie leicht zu zähmen und von allen Katzenarten am wenigsten aggressiv ist.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Falbkatze
Aus der Falbkatze entstanden auch unsere Katzen mit Rassemerkmal. Durch Selektion wurden bestimmte Merkmale herausgezüchtet, so dass es einen bestimmten Phänotyp und Genotyp gibt, der die Rasse ausmacht.
Die Weltverbände TICA, Fife, Cfa und Wcf legen die Rassenstandards der verschiedenen Katzenrassen fest und unterscheiden sich geringfügig.
Die Katzenzucht ist eine aufwändige, teure und viel Zeit erfordernde Angelegenheit, die den hohen Preis und Marktwert rechtfertigt. Seriöse Züchter ärgern sich daher auch zu Recht über Hinterhofvermehrer, die weder Geld noch Zeit investieren, aber für ihre Tiere einen hohen Preis verlangen, der leider von unkritischen Käufern auch bezahlt wird.
Es ist klar, dass dies Leute sind, die sich auf Kosten der Tiere ein Zubrot verdienen und die sich an der Zuchtarbeit von Züchtern zu bereichern versuchen. Darüber sollte man sich im klaren sein, wenn man ein Tier ohne Papier erwirbt.
Die europäische Kurzhaarkatze, die von manchen Leuten heute als Rasse bezeichnet wird, ist ebenfalls ein falscher Begriff.
Es gibt die Zucht der „Europäer“ und der „Keltisch Kurzhaar“, was eigentlich nur bedeutet, dass dies normale Hauskatzen sind ohne Einkreuzung eines Rassetiers, also ohne Hybriden.
Jedoch, und das ist wieder so widersinnig, muss man bedenken, dass die Farben silver/smoke als natürliche Farben beschrieben werden, was aber nicht so ist. Die Maine Coon zum Beispiel, angeblich eine Naturrasse, wurde mit Perserkatzen „veredelt“, um die Farben silver/smoke zu bekommen. Für das ticked tabby wurden Somali oder Abessinier eingekreuzt. Das ist natürlich Zuchtarbeit, aber den Titel Naturrassse verdient die Maine Coon sicher nicht mehr.
Nachzulesen ist das im Maine Coon Kompendium von Henning Müller-Rech, der anschaulich beschreibt, wie es dazu gekommen ist, dass das ticked tabby aus der Maine Coon nicht mehr wegzudenken ist.
Somit ist eigentlich klar, dass silver/smoke auch in der Europäer eigentlich nichts zu suchen hat, man diese Farben nur für Vielfalt, Optik und Verkauf zugelassen hat. Die natürlichen Farben der Hauskatze sind alle Farben mit und ohne weiß, schwarz, rot, gestromt und getigert, schildpatt, tortie und torbie. Die Farben blau und creme stehen für Verdünnung bedingt durch silver und smoke.
Man kann also sagen, dass die Europäer oder Keltisch Kurzhaar auch „nur“ ein Zuchtprodukt ist.
Weshalb wettere ich jetzt gegen die Stammbaumaffinität mancher Leute?
Das tue ich eigentlich nicht. Was ich eigentlich meine, ist dass der Stammbaum ein Hinweis darauf ist, dass wenigstens Mindeststandards in der Haltung der Katzen eingehalten werden müssen und eingehalten worden sind.
Es gibt auch unter den Züchtern, die sauber mit Katzen züchten, die einen Stammbaum und Gesundheitszeugnisse haben, die man meiden sollte wie der Teufel das Weihwasser.
Der Verkaufspreis ist sicher kein Hinweis. Sondern die Art und Weise, wie die Katzen im Haushalt des Züchters gehalten werden. Laufen die Katzen alle im Haus oder der Wohnung mit, oder werden nur die Mütter mit den Kitten gezeigt, und im Haus gehalten?
Wie viele Katzen hält der Züchter eigentlich? Man muss bedenken, dass jedes Tier Zuwendungen braucht und nur dann wirklich sozialisiert ist, wenn es wirklich mit anderen Katzen und dem Menschen im Haushalt gemeinsam lebt.
Es gibt Züchter, die halten ihre Tiere wie Rinder in der Massentierhaltung. Dort haben die Katzen einen Wert wie ein Nutztier. Ob man das unterstützen sollte?
Ich sage Nein!
Verbraucher sollten sich der Tatsache bewusst sein, dass ihre Nachfrage das Angebot regelt. Der Stammbaum ist dabei die kleinste zu wertende Instanz, zumindest für den Liebhaber. Was stimmen muss, ist das große Ganze. Gesundheitsvorsorge, auch der Elternkatzen der Zuchtkatzen, das ist dann wirklich nur durch den Stammbaum nachweisbar!, geimpfte, gechippte Katzen. Der Züchter muss großes Interesse daran haben, wie die zu verkaufende Katze ihr zukünftiges Leben bestreiten soll, sollte daher auch nicht an jeden ein Tier verkaufen.
Ich persönlich lege auch Wert darauf, dass der Züchter nicht in alle Welt verkauft. Es gibt tatsächlich Catterynamen, die findet man in Südostasien wieder oder Südamerika. Das zeigt, es geht dem Züchter ums Geld verdienen. Ist meine Meinung, auch wenn sich jetzt der eine oder andere auf den Schlips getreten fühlt. Nicht jeder Züchter, der Katzen nach Übersee verkauft ist so einer, es gibt auch hier wieder Ausnahmen von der Regel. Nach Asien z.B., verkaufen die dann aber nicht.
Juristisch belangt werden kann aber niemand, der seine Katze beim Rassenamen betitelt ohne einen Stammbaum zu haben. Juristisch belangt werden kann nur ein Verkäufer, der reinrassige Katzen anbietet ohne einen Nachweis für sie zu haben.
Das ist alles. Weil auch der Versuch strafbar ist. §263 StGB. Schließlich kommt niemand zu schaden, wenn ich eine Katze als Perser bezeichne, nur weil sie aussieht wie eine und die Rassemerkmale erfüllt. Sogar wirkliche Kenner können eine Rassekatze nicht von einer Rassekatze unterscheiden, wenn sie die Merkmale eines Rassenstandards erfüllt und keinen Stammbaum hat. Und tatsächlich werden bei bestimmten Rassen Katzen gezüchtet, die mit dem eigentlichen Standard nichts mehr gemein haben, und trotzdem reinrassig sind.
Nur der Verkauf einer angeblich reinrassigen Katze ohne einen Stammbaum ist strafbar. Das ist Betrug!
Die Streitereien um den Stammbaum sind überflüssig. Was nicht überflüssig ist, ist immer wieder zu betonen, wie wichtig es ist, das Umfeld des Züchters genau unter die Lupe zu nehmen. Sich alles zeigen zu lassen, was für Gesundheitsvorsorge betrieben wird, wie hochwertig gefüttert wird, ob die Katzen auch mal Fleisch und ganze Beutetiere zu fressen bekommen.
Viele sogenannte Tierschützer machen das alles am Stammbaum fest. Und das ist falsch.
Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Hauskatze
https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4isch_Kurzhaar
https://de.wikipedia.org/wiki/Rassekatze
http://www.von-theresienfeld.de/standard.shtml
Rassekatze, Look-a-like, Hauskatze
Nein, keine Angst, ich wiederhole mich nicht….
Ich nehme nur Bezug auf eine Diskussion in einer Facebook Katzengruppe, in die ich heute involviert war. Und da beschwerte sich eine Userin darüber, dass manche ihren Kater ohne Stammbaum als illegal bezeichnen würden. Oh, das kenne ich!
Also illegal ist sicher kein Tier. Das ist faktisch, und sachlich, falsch.
Die Frage muss anders gestellt werden. Was ist ein guter Züchter? Und darauf will ich eingehen.
Die bloße Vereinszugehörigkeit macht einen Züchter nicht zu einem guten Züchter. Auch da gibt es große Unterschiede.
Züchtet ein Züchter mit Stammbäumen, kann er an den Linien erkennen, ob ein Tier in der Ahnentafel ist, das dominant oder rezessiv Erberkrankungen vererbt. Eine gewisse Kenntnis sei vorausgesetzt. Das ist das A und O. Deshalb ist der Stammbaum wichtig und nicht nebensächlich.
Ist der Züchter sich seiner Verantwortung bewusst und veranlasst vor dem Zuchteinsatz Gentests auf HCM, PKD, SMA (Spinale Muskelatrophie), PKdef oder andere Krankheiten? Wenn er sich jedoch darauf verlässt, ist all das für die Tonne. Erkrankungen wie PKD oder die HCM können nur mittels Ultraschall entdeckt werden.
Damit hat ein Züchter schon sehr viel Geld in seinen Wurf, der noch in der Planung ist, investiert. Hat er Katze und Kater, dann sind das zusammen mindestens 3000,00 € Anschaffungskosten für zwei Tiere. Dazu kommen die ganzen Tests und Untersuchungen, neben den oben genannten Gentests kommen dazu Tests auf FIV und Leukose. Manche testen auch auf das feline Corona Virus (Achtung, nicht verwechseln mit Covid-19), um zu erfahren, ob ein Ausscheider unter seinen Tieren ist.
Macht ein Züchter das alles nicht, spielt er mit den Katzen Russisch-Roulette. Damit ist klar, dass das kein guter Züchter sein kann, weil die Basis schon fehlt. Einer der wichtigsten Kritikpunkte der Vermehrung oder Zucht ohne Stammbaum, und ohne Zuchtuntersuchungen.
Auf die Gefahren rund um die Trächtigkeit und Geburt bin ich hier schon eingegangen: https://gentle-creek.com/wissenswertes/alles-rund-um-geburttrachtigkeit-und-kastration/
Was wird gefüttert? Gutes Futter, aus Fleisch, Innereien, ausreichend Taurin, Mineralien? Oder Trockenfutter aus dem Aldi? Wie werden die Tiere gehalten? Laufen sie mit der Familie mit, werden die Jungtiere mit der Familie aufgezogen, oder separiert?
Gibt es ausreichend Platz? Bei potenten Katzen ist das noch mal etwas ganz anderes als mit Kastraten. Der Stress bei den Katzen ist um einiges höher als bei kastrierten Katzen.
Sind Klettermöglichkeiten vorhanden? Rückzugsorte? Hohe Liegeflächen, damit Katzen sich artgerecht zurück ziehen können?
Die Punkte, an denen man einen guten Züchter erkennt sind vielfältiger Natur. Allein das vorhanden sein eines Stammbaumes ist es sicher nicht.
Und was, wenn das alles nicht vorhanden ist? Kein Stammbaum, keine Impfung und kein Chip?
Bietet ein Verkäufer ein Tier „ohne alles an“, sind 100 € schon zu viel verlangt. Ist eine Katze vollständig grundimmunisiert, also zwei Mal im Abstand von 4 Wochen gegen Katzenseuche und Katzenschnupfen geimpft und gechippt, sind 150 € pro Jungtier angemessen.
Verlangt ein Verkäufer für eine vermeintliche Rassekatze 400 € oder sogar mehr, dann wisst ihr eines sofort:
Dieser Mensch beutet seine Tiere aus. Er finanziert sich mit dem Verkauf der Katzen seinen Lebensunterhalt, seinen Urlaub oder auch den neuen Fernseher. Reingewinn und steuerfrei. Die Katzen sind nichts als Broterwerb. Da ist die Gesundheit egal und alles andere wohl auch.
Das sollte sicher nicht unterstützt werden.
Wenn die Verbraucher kritischer werden, aufmerksamer, dann werden nicht nur die Preise fallen, denn der Vermehrer will die Tiere ja nicht behalten. Noch besser ist allerdings, wenn sich der Vermehrer durch die kritischen Verbraucher gezwungen sieht, mit der „Zucht“ aufzuhören.
Das ist dann der Moment, an dem Tierschützer anfangen aufzuatmen.